
Bildnachweis »© Dickey und Tony Chapelle für das American Friends Service Committee, AFSC Archives/AFSC Photos/Box 33/Germany.
Relief, Reconstruction and Reconciliation. International voluntary agencies in post-war Berlin – Internationale Hilfsorganisationen in Berlin nach 1945
Wenn heute über humanitäre Unterstützung für Berlin nach 1945 gesprochen wird, dominiert ein Bild: CARE-Pakete, die während der sowjetischen Blockade von 1948/49 über die Luftbrücke in den westlichen Teil der Stadt gelangten. Doch jenseits dieser ikonischen Hilfsgeste war die internationale Unterstützung für das hungernde, zerbombte Berlin weit vielfältiger – und ist bislang nur wenig erforscht. Neben den öffentlichkeitswirksamen Lebensmittellieferungen engagierten sich eine ganze Reihe weiterer internationaler Hilfswerke für die Versorgung und den Wiederaufbau der geteilten Stadt und in sozialen Projekten, die weit über materielle Soforthilfe hinausgingen. Sie reagierten auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Nachkriegszeit und schufen beispielsweise Jugendklubs, Nachbarschaftszentren, Begegnungsstätten für Geflüchtete aus dem Osten und Gruppenangebote, die vom Liedersingen bis zu Diskussionen über Demokratie und Weltfrieden reichten.
Seit Oktober 2024 läuft an der Stiftung Ernst-Reuter-Archiv ein neues Forschungsprojekt zu ausländischen nicht-staatlichen Hilfsorganisationen und ihren Mitarbeitenden, die im von den Alliierten besetzten Berlin aktiv waren. Die meisten Initiativen kamen aus Großbritannien und den USA sowie aus Schweden und der Schweiz und waren oft mit dem Roten Kreuz oder mit protestantischen Glaubensgemeinschaften verbunden und weltweit an verschiedenen Einsatzorten gleichzeitig aktiv.
Das Forschungsprojekt analysiert Akteure, Agenden und Wirkungsweisen dieser humanitären Wiederaufbauhilfe in Berlin. Es fragt darüber hinaus nach internationalen Netzwerken der Hilfsorganisationen, zeitgenössischen Tendenzen der Wohlfahrtsarbeit und den verschiedenen Beweggründen für freiwilliges Engagement, die sich in der Unterstützung für Berlin manifestierten. Auf diese Weise soll eine bisher wenig beachtete Dimension der Sozialgeschichte Berlins nach 1945 beleuchtet und gleichzeitig in globale Dynamiken der Not- und Wiederaufbauhilfe durch internationale Hilfsbewegungen eingeordnet werden.
Zu den Hilfswerken, die freiwillige Teams nach Berlin entsandten, gehörten unter anderem die britischen Quäkerhilfsdienste, der International Voluntary Service for Peace, das Mennonite Central Committee und das American Friends Service Committee. Sie alle arbeiteten mit den Militärverwaltungen in Berlin sowie mit Trägern der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege zusammen. Zugleich waren die Hilfsorganisationen auch untereinander vernetzt und hatten in ihren programmatischen Ansätzen diverse Überschneidungspunkte, die an größere zeitgenössische religiöse, weltanschauliche und sozialpolitische Strömungen anschlossen. Zu diesen Schnittpunktthemen gehörten u.a. Pazifismus und Antimilitarismus, die Ausweitung eines ökumenischen Christentums oder der Einsatz für Versöhnung, Verständigung und internationale Zusammenarbeit. Im geteilten Berlin hatten diese Themen durch die angespannte Situation im frühen Kalten Krieg und die Flüchtlingsströme aus der SBZ/DDR nicht nur eine besondere Brisanz, sondern in den Augen vieler Akteure auch ein besonderes Potential, da sie hofften, über Berlin bis in die ihnen sonst kaum zugängliche russische Besatzungszone wirken zu können.
Das Projekt wird von Nora Kaschuba bearbeitet und ist als Dissertation konzipiert, die an der Universität Potsdam von Prof. Dr. Dominik Geppert betreut wird. Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich gerne an kaschuba@landesarchiv.berlin.de.
